von Bettina Höfels

„… und Bilder sind auch keine drin!“ Bekommen Sie dies und Ähnliches auch zu hören, wenn Sie mit Ihrer Klasse gemeinsam lesen wollen? Nein? Dann haben Sie Ihrer Klasse bisher nur phantastische Leseerfahrungen geboten!

Oder in früheren Schuljahren, im Kindergarten oder daheim wurde der Grundstein für ein lebendiges Leseleben gelegt. Doch leider gibt es auch die anderen – die Reluctant Readers. Während die Voracious Readers nicht zu stoppen sind und ständig ihre Nase in dicke Wälzer stecken, schrecken Reluctant Readers in der Regel vor allem zurück, das mehr als 144 Zeichen, keine Spracherkennung und auch keine bewegten Bilder zu bieten hat. Hier hilft nur eines – positive Leseerfahrungen schaffen! Leichter gesagt als getan.

Zunächst ist es wichtig herauszufinden, was die größte Hürde beim Lesen ist. Handelt es sich um schwächere Lerner, für die das Lesen in der Fremdsprache, und vielleicht nicht nur dort, eine große Hürde darstellt? Hier können Paaraktivitäten sinnvoll sein, in denen man gemeinsam liest, laut zusammen denkt, gemeinsam zusammenfasst und Vorhersagen zum weiteren Geschehen entwickelt.

Andere Reluctant Readers mögen einfach keine geschriebenen Texte – weder in der Fremdsprache noch in der Muttersprache. Lesen ist anstrengend und wird als inaktiv wahrgenommen. Hier kommt es auf motivierende Geschichten an. Denn einem guten Plot kann sich kaum jemand entziehen, eine spannende Geschichte muss man einfach zu Ende bringen.

Oft wird die Geschichte besonders dann als gut wahrgenommen, wenn die Charaktere zur Identifikation einladen und mit der eigenen Lebenswirklichkeit in Verbindung gebracht werden können. Das muss nicht immer so offensichtlich sein wie bei den gleichaltrigen Protagonisten mit den scheinbar gleichen Sorgen und Nöten (Diary of a Wimpy Kid). Auch ein gescheiterter Revolutionär, der sich einst gegen die Obrigkeit auflehnte (Guy Fawkes) oder eine Heldin wider Willen in einer dystopischen Welt (Katniss Everdeen) sind bestens als Identifikationsfiguren geeignet, um nur drei Bestseller der Young Adult Literature zu nennen.

Aber nicht nur aus dem Buch heraus können Identifikation und Motivation entstehen. Positive Role Models können bei verhinderten Lesern auch wahre Wunder wirken. So machen tolle lesende Männer (z. B. Sportler) Lesen für Jungen erwiesenermaßen attraktiver!

Idealerweise wird das Lesen selbst multimodal unterstützt. Ein Bild kann den Einstieg bieten oder als eine Art Cliffhanger fungieren, der in den Text führt und zum Lesen verführt. Auch ein Audioinput kann den Einstieg in eine Lektüre oder das Vorankommen in der Geschichte erleichtern. Aber Bild- oder Audioeinsatz funktionieren nur, wenn die Lektüre sprachlich angemessen und der Umfang machbar ist. Der Text darf keine Hürde darstellen. Dazu gehört auch, dass die Geschichten mit klarer Handlung und viel Action präsentiert werden. Lange, beschreibende Passagen zum Sherwood Forest sind in der Regel weniger interessant als beispielsweise die erste Begegnung mit Friar Tuck oder die findigen Scharmützel mit dem Sheriff of Nottingham.

Und auch für das Leseerlebnis selbst ist Action ein Schlüssel zum Erfolg. Macht man aus der vermeintlich inaktiven, individuellen Lektüre eine actionreiche, gemeinschaftliche Auseinandersetzung z. B. in Role Play, Flashback drama oder Stillleben, können sich auch Reluctant Readers das Buch aus einer ganz neuen Perspektive im wahrsten Sinne des Wortes zu Eigen machen und als individuelle Lese- und Lernerfahrung wahrnehmen. Es gibt kein Patentrezept, um Leselust zu wecken. Jede Klasse und alle Leser formulieren ihre eigenen Regeln. Und die Fragen Why, what and how to read in the English classroom? bleiben immer wieder spannend zu beantworten.

Mechthild Hesse
The English Teacher’s Handbook of Youth Literature
Why, what and how to read in the classroom
174 Seiten
978-3-12-920133-6