von Marcelo Rodríguez

Eine größere Nähe zwischen Schule und Leben gab es wohl selten in der Lernerbiografie von Spanischlernenden: Migration und Mexiko – diese Themen sind aktueller denn je. Und das in doppelter Hinsicht: Schülerinnen und Schüler begegnen Geflüchteten in ihrer Stadt und US-Präsident Trump und seinen Drohungen Richtung Mexiko auf allen Kanälen, z. B. auf ihrem Smartphone.

Diese Ereignisse beschäftigen sie und fordern ihre ganze Vorstellungskraft. Vielfach bleiben sie mit ihren Emotionen allein. Im Zeitalter von Fake News und Kurznachrichten bedarf es in jedem Fall weiterer, verlässlicherer Quellen, mit denen dieses Zeitgeschehen verarbeitet werden kann.

Die Migrationsbewegung von Mexiko in Richtung Norden gibt es nicht erst seit dem US-Wahlkampf 2016: Die Gefahren der Flucht und die Situation der Geflüchteten war Gegenstand vieler Reportagen und Dokumentationen. In Form eines Jugendromans hat uns La línea das Thema wirklichkeitsnah und berührend näher gebracht. Als autorisierte Übersetzung liegt der Text in einer annotierten Ausgabe für den Spanischunterricht vor.

Der Roman von Ann Jaramillo erzählt die Geschichte der Geschwister Miguel und Elena, die la línea, die Grenze zwischen Mexiko und den USA, überqueren wollen. Sie wollen der Armut entfliehen und ihren in den USA lebenden Eltern folgen. Vom Aufspringen auf fahrende Züge über korrupte Polizisten bis hin zum Durchqueren der erbarmungslosen Wüste erleben sie viele gefährliche Momente. Werden Miguel und Elena ihr Ziel je erreichen?

Ann Jaramillo lebt in Kalifornien und gibt dort Englischunterricht, vorwiegend für Geflüchtete aus Mexiko. Die tägliche Begegnung mit den Menschen und ihren Erlebnissen hat sie schließlich dazu bewogen, das Thema in einem Jugendroman zu verarbeiten. Zunächst auf Englisch, ihrer Muttersprache, doch sehr bald war ein Übersetzer gefunden, der dem Text und seinen Protagonisten eine authentische, spanischsprachige Stimme verleihen konnte: Christian Fernández Alonso aus Mexiko.

„Eines Tages nach dem Unterricht habe ich noch an meinem Schreibtisch in der Schule gearbeitet, als die kleine María, eine 13-jährige Mexikanerin, die erst seit kurzem bei uns in den USA lebte, zu mir kam und mich fragte, ob sie mir helfen könne. Sie nahm das Foto meiner Söhne Luis und Mateo von meinem Schreibtisch und fragte mich, ob sie immer bei mir gewohnt hätten. Sie wollte alles über sie wissen. Sie selbst sagte nur‚ ihre Oma sei in Mexiko ihre Mutter gewesen. An ihre Mutter habe sie sich nicht mehr erinnert, sie hatte sie schließlich jahrelang nicht mehr gesehen und eigentlich nie richtig gekannt.“, erklärt Ann Jaramillo die Quelle ihrer Schreibmotivation.

Ann Jaramillo
La línea
ungekürzte spanische Ausgabe
174 Seiten
978-3-12-535692-4

La línea
Guía didáctica
66 Seiten
978-3-12-535693-1