Eine bewegende Geschichte in ihrer Kurzfassung miterleben

Autismus und Asperger-Syndrom – um diese zwei Begriffe ranken sich zahlreiche Mythen, auch wenn Menschen, die darunter „leiden“, in unserer heutigen Gesellschaft immer mehr akzeptiert werden. Was es jedoch bedeutet, mit einem Asperger-Autisten zusammenzuleben und von einem Tag auf den anderen die Verantwortung für ihn übernehmen zu müssen, das erzählt Inés Cortell Cerdá auf sehr realistische Art und Weise in ihrem Jugendroman „Buenos días, Laia“.

Der Text

Laia ist 21 Jahre alt, als ihre Eltern bei einem Autounfall ums Leben kommen. Plötzlich sieht sie sich gezwungen, ihr ganzes Leben umzukrempeln, weil sie sich um ihren minderjährigen Bruder Roger kümmern muss, der das Asperger-Syndrom hat. Während sie ihn früher kaum beachtete, weil er für sie wie ein Roboter war und zudem fast die gesamte Aufmerksamkeit ihrer Eltern in Anspruch nahm, lernt sie nun Stück für Stück die Lebenswelt ihres Bruders kennen und akzeptieren. In einer Gesellschaft, die meist ablehnend auf andersartige Menschen reagiert, entwickelt sich die junge Frau zum wichtigsten Menschen in Rogers Leben, für den sie bereit ist, alles aufzugeben und zu kämpfen.

Beispiel Greta Thunberg

Spätestens seit Greta Thunberg, der schwedischen Umweltaktivistin, die selbst unter dem Syndrom leidet, ist einem Großteil der Menschen der Asperger-Autismus ein Begriff, obwohl die wenigsten wissen, was das genau bedeutet. Fehlende Sozialkompetenz und eine große Neigung zur Monotonie sind nur zwei der vielen Merkmale, die die Betroffenen zu „seltsamen“ Menschen machen. Auch Roger – oder „Ro“, wie ihn Laia nennt – gewöhnt sich nur ganz, ganz langsam an sein neues Leben und muss die Schikanen seiner Mitschüler über sich ergehen lassen, die nicht begreifen, dass er einfach „anders tickt“.

Die Schulen reagieren

Dabei bemühen sich die Schulen in vielen Ländern Europas in den letzten Jahren immer mehr um eine inklusive Pädagogik, die betroffenen Schülern und Schülerinnen das Recht geben soll, unabhängig von ihren physischen, intellektuellen, sozialen, emotionalen, sprachlichen oder anderen Fähigkeiten, eine normale Schullaufbahn – also zusammen mit nicht-behinderten Kindern – einzuschlagen. Dass diese Projekte nicht nur auf Befürworter stoßen, ist klar – die Umsetzung ist mit zahlreichen Schwierigkeiten verbunden. Doch eines der Ziele dürfte dadurch trotzdem immer erreicht werden: Die Tatsache, dass nicht nur Pädagogen und Pädagoginnen, sondern auch Kinder und Jugendliche lernen, dass es Menschen gibt, die auf andere Weise denken, nicht wie alle anderen funktionieren und trotzdem gleichberechtigt sind, ist ein Schritt in die richtige Richtung, in Richtung einer toleranteren Gesellschaft.
Dies gelingt Inés Cordell Cerdá meisterhaft. Sie lässt uns durch ihren einfachen, ehrlichen und doch ergreifenden Schreibstil immer mehr Empathie für die Protagonisten empfinden und hat zu Recht den Premio Jordi Sierra y Fabra (Jugendliteraturpreis in Spanien) 2018 verdient.

Auf den Punkt

Gerade diese direkte Art zu erzählen, ohne Umschweife und unnötige Ausschmückungen, erlaubt es, den Roman in dieser Kurzfassung zu präsentieren, ohne dass die grundlegende Wirkung verloren geht. Schülerinnen und Schüler wird es ohne große Schwierigkeiten gelingen, den spanischen Text in der Easy-Readers-Version zu verstehen. Durch die Augen Laias werden sie mit sehr viel Feingefühl sensibilisiert für etwas, das heutzutage eigentlich selbstverständlich sein müsste: die Anerkennung eines jeden Menschen als Mitglied der Gemeinschaft.

Inés Cortell Cerdá
Buenos días, Laia
141 Seiten
978-3-12-535715-0

Zu dieser Lektüre erscheint im Juni 2020 eine Handreichung für Lehrende. Mehr dazu hier.